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NLP und Politik [Teil 1/3]: Nutzen Politiker NLP?

Kaum ein Kommunikationsmodell ist so verrufen wie NLP. Alle reden darüber, alle haben eine Meinung und die wenigsten wissen wirklich, was es ist. Das möchte ich in dieser Blogserie ändern und werde Licht in die dunklen Weiten des NLP bringen.

Denn ich sehe mich selbst zwischen den Welten stehend. Als Wirtschaftspsychologe liegt mir die Wissenschaft am Herzen. Ich mag alles, was überprüfbar und argumentierbar ist. Auf der anderen Seite unterrichte ich seit über 10 Jahren NLP, habe mein eigenes Institut in Wien. Und trotzdem bin ich kein Esoteriker. Ich habe immer versucht, auch NLP kritisch zu sehen, und genau das werde ich auch in diesem Artikel tun.

Ich habe mir viele Fernsehdebatten und Reden von Politikern angesehen und immer wieder wurden auch sogenannte NLP-Experten für eine Analyse in die Studios eingeladen. Dann war ich schon etwas enttäuscht, weil ich daraus nie etwas Konkretes mitnehmen konnte. Die einen meinten, die machen kein NLP, die anderen wiederum, es ist alles NLP. Was ist jetzt richtig?

Die Antwort kann ich aus meiner Expertensicht ganz einfach geben:

Natürlich steckt da viel NLP drinnen.

Um die Euphorie gleich wieder zu bremsen, muss ich aber gleich dazusagen, dass NLP fast überall drinnen steckt, wo Menschen aufeinander treffen. Denn was die Gründer des NLP, John Grinder und Richard Bandler, in den 70er-Jahren gemacht haben, war nichts anderes als erfolgreiche Kommunikationsmuster zu modellieren. Also im Prinzip das Beste aus unterschiedlichen Bereichen zu nehmen und in ein gemeinsames Konzept zu stecken. Wenn du dich ausführlicher interessiert, was NLP ist, habe ich darüber einen Beitrag auf unserer Institutsseite mit dem kreativen Namen „Was ist NLP?” verfasst (Der Artikel ist hier verlinkt).

An dieser Stelle möchte ich es dir aber ersparen, mehr über NLP im Allgemeinen zu schreiben, denn es geht viel weniger um die Frage, ob es in der Politik Verwendung findet (das wissen wir bereits), sondern ob es bewusst eingesetzt und in politischen Akademien unterrichtet wird. Auch diese Frage kann ich aus heutiger Sicht bejahen. Auch wenn die Techniken oftmals anders benannt werden und es sehr unüblich ist, dass in solchen Kreisen der Begriff NLP fällt. Da ich aber selbst schon angefragt wurde, weiß ich, dass durchaus Interesse am Modell besteht.

Um zu verstehen, welche NLP-Techniken in der Politik konkret angewendet werden, muss noch die Unterscheidung in zwei wichtige Kontexte erfolgen, nämliche politische Rhetorik und politische Debatte.

 

Politische Rhetorik

Das Wort Rhetorik kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt die Kunst der Rede. Ziel von Reden ist es, die Zuhörer von einer Idee zu überzeugen oder zu einer Handlung zu bewegen (Zitat: Wikipedia).

Die Rede ist also ein Format der Einwegkommunikation, bei dem kein direktes Feedback oder Antworten aus dem Publikum vorgesehen sind. Aus diesem Grund ist sie anders aufgebaut als Gespräche oder Debatten und folgt anderen Gesetzen. In der Rede geht es vor allem um die Wirkung des Gesagten und nicht um den Inhalt.

Wer schon einmal Stille Post gespielt hat, weiß, wie viel Interpretationsspielraum in einem einzigen Satz liegt, ganz abgesehen von Reden über mehrere Minuten bis hin zu einer Stunde. Würde man Menschen die Kernaussage von Reden nach dem Zuhören wiedergeben lassen, die meisten würden daran scheitern.

Das hat einen guten Grund, denn geschulte Politiker nutzen für ihre Reden hypnotische Sprache, nämlich das Milton-Modell aus dem NLP. Das Milton-Modell bekam seinen Namen übrigens von Milton H. Erickson, dem Begründer der modernen Hypnosetherapie.

Hypnotische Sprache besteht mehr oder weniger aus leeren Worthülsen, die vom Zuhörer selbst gefüllt werden. Somit verbindet jeder etwas anderes mit dem Gesagten und trotzdem fühlt sich jeder angesprochen. Und trotzdem wurde eigentlich nichts gesagt. Selbige Worthülsen finden sich auch auf Plakaten und in Werbungen, überall eben, wo kein direktes Feedback bzw. Nachfragen möglich ist.

Wie das Milton-Modell konkret in der politischen Kommunikation angewendet wird, behandle ich im 2. Teil dieser Serie: NLP und Politik [2]: Politische Rhetorik

 

Politische Debatte & Argumentation

In der politischen Debatte kommt ein zusätzlicher Faktor hinzu, nämlich dass plötzlich mit anderen Personen interagiert werden muss. Dadurch wird sie zur Zweiwegkommunikation. Es kann also gegenargumentiert oder nachgefragt werden, was das Milton-Modell alleine an seine Grenzen bringt.

Dieses Format finden wir häufig bei Politikdebatten im Fernsehen oder Podiumsdiskussionen. Hierbei soll gesagt werden, dass es niemals darum geht, gemeinsam auf einen Nenner zu kommen. Genauso wie bei der Rhetorik ist auch das Ziel der Debatte, eine gewisse Wirkung zu erzeugen oder einen Eindruck zu hinterlassen. Das ist auch der Grund, warum die echten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Denn so würde man nie auf einen Nenner kommen.

Es braucht bei der Debatte zusätzliche Fähigkeiten wie geschicktes Ausweichen oder gekonntes Gegenargumentieren, damit man sich nicht in eine Ecke drängen lässt, nicht zu konkret werden muss und souverän wirken kann. Im NLP nennen wir diese Muster Sleight of Mouth Patterns, was vom englischen Sleight of Hands (Fingerfertigkeit) kommt und so viel wie Zungen- oder Mundfertigkeit bedeutet.

Es gibt also auch im NLP sehr effektive Argumentationstechniken, die dem Reframing abstammen. Dies wiederum bedeutet, die Dinge in ein anderes Licht zu rücken, die Perspektive zu ändern. Dementsprechend ist schon klar, wo das hinführt. Denn mit dem geschickten Einsatz der Sleight-of-Mouth-Muster könnte man sich stundenlang im Kreis drehen, sich nie festnageln lassen und wiederum dabei nichts Konkretes sagen.

In die Sleight-of-Mouth-Techniken werde ich spezifisch im 3. Teil dieser Serie, NLP und Politik [3]: Politische Debatte & Argumentation, eingehen.

Fragt man sich nun, was es bringen soll, solche Techniken überhaupt zu unterrichten, wenn sie doch nur dazu dienen, viel zu reden und nichts zu sagen und dabei cool auszusehen, kann ich beruhigen. Denn für die Politik sind diese Sprachmuster etwas zweckentfremdet worden. Ursprünglich waren und sind es hocheffektive Coachingwerkzeuge, die den Klienten Blickwinkel eröffnen können und enormen Gewinn bringen. Nicht umsonst werden sie in fast jeder Therapieschule angewandt.

 

State Choice

Abschließend soll noch auf einen wichtigen Lerninhalt aus dem NLP eingegangen werden, der auch in der Politik eine zentrale Rolle spielt, nämlich State Choice. Es bedeutet, in jeder Situation Wahlmöglichkeiten über den eigenen Zustand zu behalten.

Das hat nichts damit zu tun, sich alle Probleme schönzureden, sondern vielmehr, in wichtigen Momenten zu performen. Das ist vor allem für Sportler wichtig, wenn sie genau eine Chance auf die Goldmedaille haben, ein negativer Zustand wäre hier fehl am Platz. Selbiges gilt für wichtige Gespräche oder Verhandlungen oder jegliche andere Kontexte, in denen du eine gute Leistung erbringen willst.

Für Politiker ist das vor allem relevant, weil in Debatten und Diskussionen oftmals Argumente vorgebracht werden, die die andere Partei aus der Fassung bringen sollen. Bleibt man dann nicht souverän, hat man schnell verloren. Generell wählt man eben lieber Menschen für die Vertretung eines Landes, die in jeder Situation das Beste rausholen können.

Der Umstand, dass es möglich war, NLP in so viele Bereiche zu exportieren, zeugt von der unglaublichen Wirksamkeit, die es ausstrahlt. Wie so oft kann damit sehr viel Gutes, aber leider auch sehr viel Schlechtes bewirkt werden. Die Umsetzung liegt beim Anwender, nicht beim Modell.

In den nächsten beiden Artikeln dieser Serie soll auf die beiden Bereiche mit konkreten Techniken und Beispielen eingegangen werden:

Wenn du der Meinung bist, dass mehr Leute über NLP und Politik erfahren sollten, dann empfehle dieses Artikel gerne weiter und bewerte ihn unten.

Alles Liebe,
Mario

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Die Redaktion von myNLP besteht ausschließlich aus NLP LehrtrainerInnen, ausgebildet von Dr. John Grinder (ITANLP), die wertvolle Inhalte auf dem Blog von myNLP veröffentlichen. Zu den Redakteuren zählen auch die beiden Gründer von myNLP, Mario Grabner und Patrik Shnawa.
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