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Fragetechniken für Coaches – So gehst du jedem Problem auf den Grund [1/2]

“Ich habe kürzlich mit einem Klienten gearbeitet und ich hatte nicht das Gefühl, dass ihn das wirklich weitergebracht hat.”

“Ich werde einfach nicht schlau aus meiner Klientin. Seit Wochen versuche ich, ihr wahres Problem zu finden, aber ich komme nicht dahinter.”

Manchmal ist es einfach schwierig, wirklich tief in das Innerste deiner Klient:innen vorzudringen. 

Die Gespräche bleiben oberflächlich oder drehen sich im Kreis, ohne dass ihr das eigentliche Problem erfasst.

Es ist frustrierend, wenn du feststellst, dass ihr gemeinsam an einem Thema gearbeitet habt, das sich letztendlich als unwichtig oder irreführend herausstellt. 

Es kann auch vorkommen, dass ihr einfach aneinander vorbeiredet und so Missverständnisse entstehen, die euch immer weiter vom eigentlichen Kernproblem entfernen. 

Diese Herausforderungen können Zweifel in dir aufkommen lassen und die Effektivität deiner Coaching-Sitzungen beeinträchtigen.

Aber lass dich davon bitte nicht entmutigen! 

Es gibt eine Lösung: das Meta-Modell der Sprache.

Dieses Modell bietet dir gezielte Fragetechniken, die dir helfen, jedem Problem auf den Grund zu gehen und den wahren Kern durch wenige Fragen zu enthüllen. 

Durch geschickten Einsatz kannst du eure Kommunikation schnell auf eine tiefere Ebene bringen, verborgene Denkmuster aufdecken und deine Klient:innen dazu ermutigen, sich selbst besser zu verstehen.

Lies bis zum Ende, um alle Fragetechniken für dein Coaching zu erhalten und wirklich die richtigen Informationen zu erhalten, damit deine Clients ihr volles Potenzial entfalten können.

Was ist das Metamodell der Sprache?

Dieses Modell wurde von den Begründern des NLP, Richard Bandler und John Grinder entwickelt. Es hat den Zweck, der Sprache sozusagen die Lupe vorzuhalten und genauer zu inspizieren, was sich hinter einer Aussage versteckt.

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Metamodell-Verletzungen – das ist immer dann der Fall, wenn das Gesagte etwas impliziert, Vorwissen vorausgesetzt wird oder die Aussage unspezifisch formuliert wurde.

Denn unsere Sprache ist sehr unspezifisch! 

Das, was wir sagen, ist oft nur eine verkürzte Darstellung des inneren Erlebens. Wir vereinfachen vieles und durch die Sprache verzerren wir teilweise Erfahrungen, was dazu führt, dass Informationen verloren gehen. 

Stell dir nur vor, dir erzählt jemandem von einem “Ball”. Vielleicht denkst du jetzt an eine runde Kugel, die man hin und her werfen kann. Vielleicht denkst du aber auch an eine Abendveranstaltung, bei der man sich schick anzieht.

Das ist zugegeben ein sehr einfaches Beispiel und oft wird durch den Kontext, in dem wir ein Wort verwenden, klar, was gemeint ist. 

Die Konversation wird auch einfacher, wenn wir die Person, mit der wir sprechen, gut kennen und ihre Lebensrealität teilen. Doch auch nach einer langjährigen Freundschaft passiert es noch manchmal, dass wir “aneinander vorbeireden”.

Im Coaching kennen wir in der Regel jedoch relativ wenig von der Lebensrealität unserer Coachees und so sind Missverständnisse sehr wahrscheinlich. 

Die richtigen Fragen machen hier den Unterschied.

Gezieltes Nachfragen hilft uns dabei, den Inhalt des Gesagten genauer zu analysieren und verborgene Informationen oder Einschränkungen in der Kommunikation aufzudecken.

Damit es seltener zu solchen Missverständnissen kommt, halte in deinem Coaching Ausschau nach folgenden Wörtern:

Nominalisierungen

Kurz gesagt sind Nominalisierungen Verben, die zu Nomen gemacht wurden.

Sie beinhalten so viel mehr, als sie ausdrücken – wobei genau das das Problem ist: Sie drücken nicht wirklich etwas aus!

Schau dir doch einmal diese Sätze an:

“In meinem Leben passiert gerade so viel Veränderung!”

“Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe so viele Probleme.”

“In meinem Leben ist es mir besonders wichtig, viele Freiheiten zu haben.”

Wenn du diese Sätze hörst, weißt du dann, was gemeint ist?

Falls du jetzt mit “Ja klar” antwortest, lade ich dich ein, folgendes Experiment auszuprobieren: Frage deine Freunde, Bekannte, etc. einmal, was “Freiheit” für sie bedeutet.

Du wirst vermutlich erstaunt sein, was für unterschiedliche Antworten du darauf zu hören bekommst. 

Da sind wir auch schon bei der Frage, die Dreh- und Angelpunkt für so viele gute Gespräche ist:

“Was (genau) bedeutet das für dich?”

Hinter Nominalisierungen steckt immer ein Prozess. Denn für jeden bedeuten Veränderung, Probleme, Freiheit, aber auch Hoffnung, Liebe, Arbeit etc. etwas anderes. 

Sobald du als Coach verstehst, wovon dein Coachee WIRKLICH redet, kannst du klare Interventionen setzen. Außerdem trittst du so in die Landkarte deines Coachees ein und kannst dadurch eine tiefere Beziehung zu diesem aufbauen.

Unspezifische Verben (und Adjektive)

Genauso wie bei den Nominalisierungen gibt es auch unspezifische Verben, bei denen es sich lohnt, genauer nachzufragen.

Wenn dir deine Klientin erzählt: “Ich leide daran”, dann wäre es vielleicht dein erster Impuls, nachzufragen, AN WAS sie leidet. 

Im Coaching funktioniert aber vieles auch ohne spezifischen Kontext – denn bei diesem passiert es oft, dass wir direkt eine Lösung vorgeben. Das Ziel ist aber, dass unser:e Klient:in seine oder ihre eigene Lösung findet.

Versuche es stattdessen mit der Metamodellfrage: 

“Was meinst du mit ‘leiden’?”

Deine Klientin erzählt dir nun, dass sie ein schweres Gefühl in ihren Schultern verspürt, dass diese automatisch nach unten gezogen werden…

Plötzlich kannst du mit ihr auf der körperlichen Ebene weiterarbeiten, woraus sich vielleicht ganz andere Entwicklungen ergeben als auf der sonst üblichen inhaltlichen Ebene.

Ein Klient von mir hat mir kürzlich ein anderes gutes Beispiel geliefert: “Ich versuche, mehr Selbstbewusstsein zu haben.”

Daraufhin habe ich ihn gefragt: “Was verstehst du unter ‘versuchen’?” umformuliert: “Was hast du denn schon alles versucht?”

In weiterer Folge sind wir auf die konkreten Schritte oder Handlungen eingegangen, die er gerade unternimmt, dazu schon unternommen hat oder in Zukunft unternehmen möchte, um mehr Selbstbewusstsein zu bekommen. 

Durch seine Antwort konnte der Klient sehen, dass er bereits einiges unternimmt und das auch erste Erfolge bringt, was ihm wiederum mehr Selbstbewusstsein gegeben hat.

Es war eine sehr schöne Intervention, da sie auch mir gezeigt hat, dass ich die richtige Frage gestellt habe.

Fehlender Bezug

Hierbei handelt es sich um ein unbestimmtes Fürwort (Indefinitpronomen), bei dem nicht klar ist, auf was es sich bezieht. Daher wollen wir auf dieses unsere sprachliche Lupe richten.

Beispiele für Indefinitpronomen sind etwa: etwas, viele, nichts, jemand, man.

Im Coaching würde dein Klient beispielsweise sagen: “Bei mir funktioniert nichts!” oder “Aber das kann ich doch nicht machen, das macht man doch nicht!” 

Du siehst an diesen Beispielen, dass das Hauptwort, auf das der Satz Bezug nimmt, nicht näher beschrieben wird. Der Bezug zur persönlichen Erfahrung fehlt und die Aussage trifft dadurch scheinbar auf alle Erfahrungen zu.

Dadurch verallgemeinert dein Coachee das Gesagte. 

Da wir aber das spezifische Problem unseres Klienten herausfinden wollen, können wir durch folgende Frage weiter in die Tiefe gehen und das Hauptwort, auf welches Bezug genommen wird, identifizieren: 

„Was meinst du mit ‘nichts’?“ und „Was meinst du mit ‘das’?“

Dein Coachee wird so dazu verleitet, seine oder ihre Aussage zu spezifizieren und steigert so automatisch den Informationsgehalt.

Sobald der Klient zu erzählen beginnt, begeben wir uns von einer allgemeinen Ebene auf eine persönliche und können so mit spezifischen Situationen arbeiten.

Verlorener Sprecher

Wenn du bemerkst, dass dein Coachee sehr allgemein spricht und plötzlich Wörter wie “man” (Das tut man nicht), “Studien zeigen doch, dass” oder “das ist eine furchtbare Idee” verwendet, lohnt es sich, da einen genaueren Blick drauf zu werfen. 

Denn durch dieses Sprachmittel distanzieren sich Anwender, damit sie nicht mehr angreifbar sind oder die Verantwortung für die Aussage abgeben können. Oft sind das aber auch Hinweise auf angelernte Verhaltensweisen, die der Person selbst vielleicht gar nicht bewusst sind. 

Durch die gezielte Nachfrage kannst du dabei helfen, diese Muster ins Bewusstsein zu rücken und der Aussage ihr Gewicht nehmen.

Verwende folgende Fragen:

“Woher weißt du das?” oder auch “Wessen Meinung ist das?/Wer genau sagt das?”

Gedankenlesen

Beim Gedankenlesen wird die Behauptung aufgestellt, jemand würde wissen, was du denkst oder was du gerne möchtest. Bei diesem Muster möchte ich an dich appellieren, dass du im Coaching nicht selbst in diese Falle tappst.

Denn wenn uns jemand etwas Schwerwiegendes erzählt, tendieren wir oft dazu, zu antworten: „Ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlst“ oder „Ich merke, du bist auch schon sehr erschöpft“.

Diese Sätze nehmen der anderen Person die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken oder sich darüber klar zu werden, was er/sie eigentlich will. Wir legen ihm/ihr schon vorgefertigte Ideen in den Mund.

Bereits der amerikanische Philosoph Thomas Nagel veröffentlichte 1974 seine Gedanken dazu, wie es wohl ist, eine Fledermaus zu sein (What It Is Like to Be a Bat). Er kam zu dem Ergebnis, dass wir nie wissen können, wie es in einem anderen Lebewesen aussieht, uns aber sehr wohl bis zu einem gewissen Grad einfühlen können. 

Im NLP sprechen wir hier von der Landkarte – jeder Mensch hat seine eigene Landkarte, du kannst sie nur abgleichen. Doch selbst dann sind Veränderungen nicht ausgeschlossen, der Abgleich muss also immer wieder gemacht werden.

Bei deiner Klientin fällt dir das Gedankenlesen auf, wenn sie darüber spricht, genau zu wissen, was z.B. ihr Partner denkt oder „Er sollte wissen, dass ich das nicht mag“.

Bei solchen Sätzen sollten deine Alarmglocken angehen und du kannst direkt mit einer dieser Fragen einhaken:

„Woher weißt du das?“ „Woran merkst du das?“ „Weißt du das wirklich?”

Vorannahmen

Vorannahmen sind ein tückisches Sprachmuster: Sie sind zwar leicht zu erkennen, wir sind sie aber so gewohnt, dass wir sie oft einfach hinnehmen.

“Wie wirst du in Zukunft reagieren, wenn du eine Vorannahme enttarnt hast?”

Dieser Satz setzt beispielsweise voraus, dass du die Vorannahme enttarnen wirst. Dein Fokus liegt aber ganz auf dem zweiten Teil des Satzes, nämlich, wie du danach reagieren wirst. 

Eine Vorannahme setzt also voraus, dass ein Teil des Satzes wahr ist, sodass der nachfolgende Teil Sinn macht. Dabei wird diese Informationseinheit nicht explizit ausgesprochen, sondern ergibt sich aus der Logik des Satzes.

Achtung: Wenn du jetzt dem Satz zustimmst, stimmst du automatisch auch der darin enthaltenen Vorannahme (implizit) zu. 

Im Coaching machen sich deine Klient:innen mit Vorannahmen oft selbst das Leben schwer. Du identifizierst dieses Sprachmuster, indem du auf Sätze achtest wie: 

  • “Ich kann das nicht schaffen, weil ich noch nie erfolgreich war.” Hier sagt dein Coachee im Grunde, dass seine Vergangenheit ein Indikator für seine zukünftigen Fähigkeiten ist. Er nimmt an, dass seine bisherige Erfolglosigkeit ihn daran hindert, etwas Neues zu erreichen.
  • “Er wird mich ablehnen, wenn ich meine Meinung äußere.” Diese Aussage enthält die Vorannahme, dass die Ablehnung der anderen Person unvermeidlich ist, wenn deine Klientin ihre Meinung äußert. Sie nimmt automatisch an, dass die Äußerung ihrer Meinung zu einer negativen Reaktion führen wird.
  • “Wenn ich mich nicht perfekt präsentiere, wird niemand mich respektieren.” Hier hält dein Coachee stark an der Annahme fest, dass Perfektion die einzige Möglichkeit ist, Respekt und Anerkennung von anderen zu erhalten. Er geht davon aus, dass jeder kleine Fehler, jede Form von Unvollkommenheit, zu einem Respekt-Verlust führen wird.
  • “Ich sollte immer für andere da sein, sonst bin ich egoistisch.” In diesem Fall ist für deine Klientin absolut wahr, dass die Bedürfnisse anderer immer Vorrang vor ihren eigenen haben und Selbstfürsorge egoistisch wäre. Sie nimmt an, dass es falsch oder selbstsüchtig ist, sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern.

Vorannahmen kannst du mit denselben Fragen wie beim Gedankenlesen den Wind aus den Segeln nehmen:

„Woher weißt du das?“ „Woran erkennst du das?“ “Ist das wirklich wahr?”

Alle Muster auf einen Blick

Du hast nun bereits die ersten 6 von insgesamt 12 Sprachmustern kennengelernt. Ich hoffe, dass sie dir schon erste Erfolge in deinem Coaching bringen und eure Verständnisschwierigkeiten weniger werden. 

Falls du jetzt Sorge hast, dass du dir all diese Muster nicht so schnell merken wirst, möchte ich dir noch kurz zusammenfassen, welche Fragen dir bei welchem Sprachmuster helfen: 

Nominalisierungen / Unspezifische Verben (und Adjektive) / Fehlender Bezug: “Was (genau) bedeutet das für dich?” “Was meinst du mit ‘X’?” “Was verstehst du unter ‘X’?”

Verlorener Sprecher: “Woher weißt du das?” “Wessen Meinung ist das?” “Wer genau sagt das?”

Gedankenlesen / Vorannahmen: „Woher weißt du das?“ „Woran merkst/erkennst du das?“ “Ist das wirklich wahr?”

Du siehst also, es gibt viele Ähnlichkeiten, die es dir erleichtern, dir alles zu merken. 

Als Faustregel kann ich dir aber mitgeben: Hinterfrage immer das Wort, das gerade unklar ist, verschluckt oder besonders betont wird. Wenn du das Metamodell der Sprache auch im Alltag immer wieder trainierst, kannst du die unspezifischen Ausdrücke sehr bald nicht mehr überhören.

Wenn dir diese Coaching-Techniken helfen und du mehr wissen möchtest, schau dir doch einmal unsere Ausbildung zum Zert. NLP Coaching Practitioner an. Dort lernst du noch viele weitere spannende Coaching-Techniken mit einem großen Praxis-Fokus.

Ich würde mich freuen, mich bald in einem persönlichen Gespräch mit dir über die Chancen und Perspektiven der Ausbildung unterhalten zu können.

Wenn du auch die restlichen 6 Fragetechniken noch kennenlernen möchtest, lies sie hier im zweiten Teil nach.

Bis nächste Woche also…

Alles Liebe,

Mario

myNLP Team

Die Redaktion von myNLP besteht ausschließlich aus NLP LehrtrainerInnen, ausgebildet von Dr. John Grinder (ITANLP), die wertvolle Inhalte auf dem Blog von myNLP veröffentlichen. Zu den Redakteuren zählen auch die beiden Gründer von myNLP, Mario Grabner und Patrik Shnawa.
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