Sind wir mal ehrlich: Wie angenehm und vorteilhaft wäre es wohl, erkennen zu können, ob die Person dir gegenüber dich gerade eiskalt anlügt oder die Wahrheit auftischt?
Denke doch einfach einmal an dein Berufsleben, Treffen unter Freunden, Gespräche in Beziehungen oder auch einfach nur an ein abendliches Pokerspiel. Wie nützlich wäre es wohl in diesen Kontexten, Gefunkel und Lügen erkennen zu können und nicht auf sie hereinzufallen? Und an welche Kontexte habe ich jetzt vielleicht noch gar nicht gedacht, in denen diese Fähigkeit für dich relevant wäre?
NLP wurde lange die Fähigkeit nachgesagt, Lügen sekundenschnell und treffsicher mit einer einfachen Methode vorhersagen zu können. Unserer Meinung nach einer der Mitgründe, warum NLP vielerorts in Verruf geraten ist. Diese Aussage widerspricht nämlich nicht nur vielen der Grundannahmen des NLP, sondern ist auch einfach so nicht richtig.
Mit NLP kannst du zwar Lügen erkennen, jedoch nicht auf diese Weise. Bevor wir jedoch darauf zu sprechen kommen, wie du das machen kannst, ein kurzer Exkurs in die Geschichte des NLP und wie dieses Gerücht entstanden ist. Um dir das zu verdeutlichen, lade ich dich zu einem kleinen Experiment ein. Dafür musst du dir nur kurz ein paar Fragen beantworten und dann weiterlesen. Lese dir jeden der nächsten Sätze einzeln durch, stell es dir wirklich vor und lese dann erst den nächsten.
- Wenn du jeden Tag deine Wohnung betrittst, was ist das Erste, dass dir ins Auge sticht?
- Denke doch einmal an deinen Lieblingssong. Wie klingt der Refrain, wenn Donald Duck ihn singen würde?
- Wie fühlt es sich an, wenn du barfuß durch feuchten Sand gehst?
- Und noch eine Letzte: Stelle dir doch einen Elefanten vor. Und nun färbe ihn rosa ein und lass ihn doch einmal stepptanzen, wie würde das für dich aussehen?
Ist dir aufgefallen, dass deine Augen dabei unweigerlich begonnen haben, in gewisse Richtungen abzuschweifen, sowie du damit angefangen hast, dich diese Dinge wirklich zu fragen?
Wenn ja, dann hast du gerade erlebt, was die beiden Gründer des NLP dazu veranlasst hat, diese Bewegungen zu beobachten und zu kategorisieren. Dabei ist das Modell der Augenzugangshinweise entstanden. Diesem wurde die Fähigkeit nachgesagt, Lügen von Menschen ganz einfach aufzudecken zu können
Vielleicht haben dich die Fragen ja auch ein wenig an den letzten Artikel und den Einsatz des VAKOG-Modells erinnert. Wenn dieses Modell noch kein Begriff ist, kannst du es hier nachlesen. Das Modell der Augenzugangshinweise geht davon aus, dass die Augenbewegungen unterschiedliche Richtungen einnehmen, je nachdem, welchen Sinneskanal du gerade aktiv in deinem Denkprozess verwendest. Hier aber zuerst einmal das Modell:
Ganz grob erklärt sagt das Modell, dass eine Person, die mit dir redet, von dir aus betrachtet nach rechts schaut, während sie mit dir redet, dann gerade Erinnerungen abruft. Solange ist noch alles okay. Schaut sie jedoch nach links oben, dann konstruiert sie Bilder oder Szenerien, die sie vorher noch nicht gesehen hat – so die Theorie. Was nützt einem aber dieses Wissen, und was hat das mit lügen zu tun?
Vielleicht ist dir ja aufgefallen, dass deine Augen sehr sicher bei Frage 1 und Frage 4 in unterschiedliche Richtungen abgeschweift sind, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Das liegt daran, dass du für Frage 1 nur eine Erinnerung abrufen musst, während du bei Frage 4 etwas in deinem Kopf konstruieren musst. Solche Assoziationstechniken werden auch sehr gerne bei Verhören verwendet, um z. B. herauszufinden, ob eine Person wirklich an einem gewissen Ort war.
„Denken Sie bitte an den Ort, an dem sie zum Tatzeitpunkt waren. Während sie mit Herrn X geredet haben, welche Farben sind Ihnen denn da an ihm und der Umgebung aufgefallen?“ So könnte eine solche Frage z. B. lauten. Wäre diese Person nun wirklich da gewesen, dann müsste sie jetzt doch nach rechts schauen, um die visuellen Elemente der Erinnerung abzurufen. Wenn sie jetzt allerdings nach links sieht und dieses Bild erst konstruieren muss, liegt es doch nahe, dass diese Person nie wirklich da war und hier gerade eine Lüge auftischt, oder?
So vermutete man jedenfalls lange Zeit. Mittlerweile weiß man z. B., dass die Augenbewegungen bei Linkshändern großteils genau umgekehrt sind. Auch wissenschaftlich lässt sich kein generelles, signifikantes Muster erkennen, das eine gewisse Blickrichtung sich einem Sinneskanal zuordnen lassen würde. Diese können also von Person zu Person unterschiedlich ausfallen.
Hätte die Person in dem obigen Beispiel also nach links oben geschaut, würde das per se gar nichts heißen. Auch das Konstruieren statt Abrufen von Erinnerungen sagt übrigens nichts über Lüge oder Nicht-Lüge aus. Es kann genauso sein, dass man den Ausschnitt der Erinnerung über die Farben erst aus der abgespeicherten Gesamterinnerung konstruieren müsste, da man in der Situation selbst nicht genau darauf geachtet hat.
Was jedoch von diesem Modell bleibt, ist das Wissen, dass Menschen Augenbewegungen dazu verwenden, um gewisse Informationen abzurufen. Für jede Person einzeln verfolgen diese auch ein Muster, das man individuell mit gezielten Fragen bestimmen kann. Ruft man z. B. gute oder schlechte Erinnerungen ab, so blickt man dafür meist in unterschiedliche Richtungen. Eine Technik, die heute sehr gerne im Verkauf verwendet wird. Wenn du also das nächste Mal etwas kaufst, frage dich doch einmal, ob der Vertrag zufällig dort liegt, wo er dir zur Unterschrift vorgelegt wurde. 😉
Zurück zum Thema, wie kann man jetzt aber Lügen mit NLP erkennen? Der wahre Prozess ist viel mehr darauf ausgerichtet, die Einzigartigkeit des Menschen miteinzubeziehen. Grundlegend funktioniert die Methode aber wie bei einem Lügendetektor und verlangt dir nur einiges an bewusster Wahrnehmung ab.
Zuerst „kalibrierst“ oder bestimmst du die verbale und nonverbale „Baseline“ einer Person.
Das bedeutet, du achtest darauf, wie sich diese Person verhält, wenn sie garantiert die Wahrheit sagt. Dies kennt man klassisch aus Filmen, wo auch der Lügendetektor auf die Baseline des Befragten kalibriert wird. Dazu bedient man sich Fragen wie: Wie ist Ihr Name, sind wir hier in Österreich, haben wir gerade 1998 etc. Fragen, die also sicher mit ja oder nein beantwortet werden können.
Sobald du diese hast, achtest du gezielt darauf, in welchen Situationen die Person dir gegenüber von dieser Baseline abweicht. Wie die rote Linie eines Lügendetektors sollte in diesem Moment auch deine Wahrnehmung ausschlagen. Ich bin gespannt, welche Fragen dir dazu einfallen, mit denen du ganz beiläufig in Gesprächen die Baseline einer Person kalibrieren kannst.
Hier ist allerdings Vorsicht geboten! Eine Abweichung von Baseline kann viele Gründe haben. Freude, Angst, Schmerz, Aufregung, Stress – Erregungszustände, die Veränderungen nach sich ziehen, können viele Ursachen haben, nicht nur lügen. Das ist übrigens eines der Grundprobleme bei Lügendetektor-Tests. Diese können nur eine Veränderung feststellen, nicht aber sagen, was diese verursacht hat. Deshalb ist es für uns so wichtig, sich die Art der Abweichung gemeinsam mit dem Kontext, in dem sie auftrat, zu merken.
Kommen dieselben Abweichungen in einem ähnlichen Kontext wieder vor, so hat man ein Muster für sich identifiziert, das einem helfen kann, zukünftige Kontexte zu beurteilen. Wenn sich jemand immer dann unbewusst kratzt und den Blick abschweifen lässt, wenn er sich seiner Entscheidung unsicher ist und dieses Verhalten genau in dem Moment aufkommt, in dem du z. B. den Einsatz bei einem Pokerspiel erhöhst, welche Schlussfolgerungen könntest du für dich daraus wohl ziehen?
Beim Lügen erkennen mit NLP gilt also die simple Regel: Das beste Anzeichen für zukünftiges Verhalten ist vergangenes Verhalten. Ein Lügendetektor misst z. B. Puls, Atmung, Schweiß und Elektrizität der Haut. Wir bedienen uns der Gestik, Mimik, Stimme, Körperhaltung, Sprache und vor allem einem, der Fähigkeit, unbewusste Muster und Abweichungen derselbigen bei Menschen auszumachen.
Die einzige Limitation hierbei ist unsere Fähigkeit, bewusst wahrzunehmen. Oftmals spielen sich ganze Welten neben uns ab, die an unserer bewussten Aufmerksamkeit einfach unbemerkt vorbeiziehen. Du musst dich einfach nur einmal Folgendes fragen: Hast du heute schon Blumen gesehen? 🙂
Die gute Nachricht ist jedoch, wie fast alles im Leben, du kannst natürlich auch deine Wahrnehmung schärfen und schulen. Eine essenzielle Fähigkeit für so viele Lebensbereiche, nicht nur das Erkennen von Gefunkel und Lügen. Wir freuen uns schon wieder auf die Übung „der menschliche Lügendetektor“ in unserem nächsten NLP Practitioner. Diese Übung macht nicht nur unseren Teilnehmern, sondern auch uns immer einen riesen Spaß.
Bis dahin wünschen wir dir viel Spaß beim Beobachten und Analysieren und fragen uns, in welchen Kontexten du nun deine Umwelt wohl bewusster wahrnehmen wirst?
Liebe Grüße,
Matthias