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Die Muster der Manipulation – Wie du dich davor schützt

Manipulation begegnet und beeinflusst uns täglich.

Bei Verkäufern, in der Arbeit oder auch an Märkten beispielsweise erwarten wir bereits, dass uns andere beeinflussen oder uns etwas andrehen wollen. Wir fahren schon von Anfang an unsere Abwehrmechanismen hoch und versuchen gezielte Manipulationen zu erkennen und zu verhindern. Und das mehr oder weniger erfolgreich.

Manipulation begegnet uns aber vor allem auch da, wo wir sie nicht erwarten. Sie passiert unter Freunden, Bekannten, der Familie oder auch in der eigenen Beziehung. Sehr häufig unbewusst, manchmal aber auch bewusst. Gerade weil wir hier nicht damit rechnen, passieren uns einige Dinge häufiger:

Wir lassen uns zu etwas überreden, wir machen etwas, das wir eigentlich lieber nicht machen wollen, wir haben das Gefühl, zu etwas gedrängt zu werden oder aus etwas nicht mehr herauszukommen oder ganz schlicht und einfach, es fällt uns schwerer, nein zu sagen, als es uns sollte. Diese Gefühle und Gedanken werden oft dann in uns ausgelöst, wenn wir manipuliert werden. Sie können uns daher auch als ein gewisses Warnsignal dienen.

Ein kleines Beispiel und gleich auch das erste Muster:

Ein Freund, der mir in einer schwierigen Situation unter die Arme gegriffen hat, bittet mich um Hilfe. Auch wenn es mir vielleicht gerade nicht in den Kram passt, ist es klar, ihm trotzdem zur Seite stehen zu müssen.

Bekannte Situation? Sicherlich ja. Eigentlich ist es aber gar nicht so klar, dass wir helfen müssten. Es würde sich nur furchtbar unangenehm und falsch anfühlen, in dieser Situation nein zu sagen.

Reziprozität

Der Grund dafür ist das Gesetz der Reziprozität – das innere Bedürfnis, etwas zurückzugeben, wenn wir etwas bekommen haben (Cialdini et al. 1992; Werth & Mayer 2008). Ein vollkommen natürlicher Mechanismus, der uns das Zusammenleben mit anderen wesentlich erleichtert. Wie alles hat er allerdings auch seine Schattenseiten.

Stell dir vor, du gehst z. B. auf eine Frühjahrs-Messe. Dort findest du einen sehr netten Verkäufer an einem Süßwarenstand vor. Er begrüßt dich und reicht dir eine seiner köstlichen, süßen Verführungen. Es ist nur eine kleine Praline, also nimmst du sie dankend an. Sie schmeckt dir köstlich, weswegen dich der Verkäufer fragt, welche du besonders gerne magst. Er reicht dir eine deiner Lieblingspralinen zum Probieren. Sie schmeckt ebenfalls wunderbar. Eigentlich wolltest du zwar keine der beiden und möchtest weitergehen, trotzdem hast du das Gefühl, zumindest eine Kleinigkeit als Dankeschön zu kaufen.

Selbes Spiel – anderer Kontext. Das Gesetz der Reziprozität hat dich gerade dazu gebracht, etwas zu kaufen. Wenn dir das nächste Mal also ein Verkäufer etwas anbietet, und sei es nur ein Kaffee, frage dich, ob er wirklich nur nett sein möchte oder ob dies Teil einer Masche ist.

Wie du in den obigen Beispielen erkennen kannst, entspringen die Muster der Manipulation also natürlichen Tendenzen unseres Handelns. Sie utilisieren Mechanismen, die sich im Laufe der Zeit in sozialen Systemen durchgesetzt und bewährt haben.

Einige weitere dieser Mechanismen wollen wir dir nun heute vorstellen.

Door in the Face

Die Schatten-Taktik – oder das „Door in the Face“-Prinzip (Werth & Mayer 2008)

Dieses Prinzip baut auf die oben beschriebene Reziprozitätsnorm auf und ist z. B. eine der beliebtesten Taktiken in Verhandlungen. Es besagt, dass durch das Vorschieben einer großen Forderung die Annahme einer zweiten, kleineren Forderung wesentlich wahrscheinlicher ist.

Robert Cialdini untersuchte diesen Effekt mit einer interessanten Studie. Dabei bat er Probanden, mit einem vorbestraften Jugendlichen für 2 Stunden einen Zoo zu besuchen. Nur 17 Prozent waren dazu bereit.

Die zweite Gruppe der Probanden fragte er vorher, ob sie dazu bereit wären, über die Dauer von 2 Jahren hinweg jeweils 2 Stunden wöchentlich mit einem jugendlichen Deloquenten zu verbringen. Wenig überraschend wurde diese Bitte abgelehnt. Als er ihnen danach ebenfalls die Zoo-Frage stellte, erlebte er ein überraschendes Ergebnis: Jeder zweite erklärte sich zu so einem Besuch bereit!

Nach Ablehnen der ersten, großen Bitte rückt der Bittsteller von seiner vorgeschobenen Forderung ab. Das Stellen einer zweiten, kleineren Bitte im Anschluss wirkt daher wie eine Art kleine Gefälligkeit. Diese erzeugt – das kennen wir schon aus dem Gesetz der Reziprozität – in weiterer Folge das Gefühl, ebenfalls eine Kleinigkeit zurückzugeben. Die andere Person kann sich sozusagen revanchieren, indem sie der kleineren Bitte zustimmt – und dies tut sie in der Regel auch.

Was sie dabei vermutlich nicht wusste, ist, dass der Bittsteller es von Anfang an nur auf das Eingehen auf diese Bitte abgesehen hat. Eine sehr gewiefte Taktik.

Der nächste Mechanismus wird dir vermutlich auch sehr bekannt vorkommen.

Konsistenz

Wer A sagt, muss auch B sagen – oder das Streben nach innerer Konsistenz (Werth & Mayer 2008)

Kaum jemand mag Menschen, die heute so und morgen so sagen. Genauso wenig mögen wir das bei uns selbst, und schon gar nicht wollen wir von anderen als „Fähnchen im Wind“ wahrgenommen werden. Wir Menschen streben ganz allgemein danach, in unseren Aussagen und Handlungen konsistent zu sein.

Eine sicherlich bekannte Situation: du hast dir fest vorgenommen, heute am Abend noch auf eine Veranstaltung zu gehen. Du hattest allerdings einen sehr harten Tag, bist gerade nach Hause gekommen und sehnst dich viel mehr nach einem richtig feinen Abend zu Hause. Klarer Fall, du hörst auf deine innere Stimme und die Veranstaltung ist gestrichen.

Stell dir nun aber Folgendes vor: Du befindest dich in exakt derselben Situation, nur blöderweise hast du einem alten Freund versprochen, ihn heute auf dieser Veranstaltung zu treffen. Du kommst nach Hause und hörst wieder deine innere Stimme. Wirst du dieses Mal auch nachgeben? Eher nicht, viel wahrscheinlicher ist, dass du auf die Veranstaltung gehst. Im Extremfall lässt du dir vielleicht noch eine Ausrede einfallen, für die du dich dann trotzdem schlecht fühlst – auch wenn du die Ruhe wirklich brauchst.

Das Zusagen des Erscheinens entspricht einer Form des Commitments, also einer Verpflichtung gegenüber etwas oder jemandem. Diesem wollen wir dann natürlich auch entsprechen. Hier spielt ebenfalls dein Selbstbild eine große Rolle. Wenn du z. B. als eine verlässliche Person oder als jemand, der zu seinem Wort steht, wahrgenommen werden willst, dann wirst du dich verpflichtet fühlen, diesem Bestreben gerecht zu werden.

Selbstwahrnehmung und Konsistenzbestreben zwingen dich fast schon dazu, deinem Commitment in weiterer Folge zu entsprechen. Dieses Phänomen wird beispielsweise auch für das nächste Muster der Manipulation verwendet.

Foot in the Door

Escalation of Commitment – oder das „Foot in the Door“-Prinzip (Werth & Mayer 2008)

Beim oben genannten „Door in the Face“-Prinzip wird eine vorgeschobene große Bitte genutzt, um eine eigentlich gewünschte kleine erfüllt zu bekommen.

Beim „Foot in the Door“-Prinzip nutzen wir nun eine kleine Bitte, um später eine große Bitte, auf die eigentlich abzielt wird, erfüllt zu bekommen.

Gibt jemand seine Zustimmung zu einer kleinen Bitte, dann ist die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches größer, dass einer nachgeschobenen großen Bitte zum gleichen Inhaltsbereich ebenfalls zugestimmt wird. Wird also eine erste kleine Bitte aus freien Stücken bejaht (Commitment), dann stimmt man dem Inhalt quasi zu und fühlt sich deshalb verpflichtet, konsistent zu bleiben und der zweiten nun ebenfalls zuzustimmen (Cialdini et al. 1995).

Auch hierzu gibt es wieder eine interessante Studie, dieses mal von Freedman und Fraser (1966):

Im Rahmen einer Telefonstudie wurden Hausfrauen angerufen und gebeten, dass 5 bis 6 Mitarbeiter in ihr Haus kommen und dort alle Produkte registrieren könnten, die sie verwenden. Dies würde ca. zwei Stunden dauern und man müsste auch in Schubladen und Schränke schauen dürfen. Dieser Anfrage stimmte, wenig überraschend, nur jede fünfte Hausfrau zu.

Die zweite Gruppe erhielt zuvor einen Anruf, bei dem sie, nach ihrer freiwilligen Zustimmung, einige Fragen zu ihrem Seifengebrauch beantworteten. Wenige Tage später erhielten sie ebenfalls denselben Anruf wie die erste Gruppe bezüglich der Bestandsaufnahme in ihrem Haus. In dieser Gruppe stimmte allerdings jede zweite (!) Hausfrau der „Hausdurchsuchung“ zu. Die „foot in the Door“-Strategie erhöhte also die Zustimmung um mehr als das Doppelte!

Unfassbar, was ein simples Commitment, das wir oft schon mit einem reinen „ja“ abgeben, bewirken kann. Verkäufer kennen diese Taktik vermutlich unter dem Namen „Yes-Set“ oder „Ja-Treppe“.

Wie auch immer man diese Prinzipien nennen möchte, sie basieren auf automatischen Mechanismen und Funktionsweisen unseres Gehirns – und sie sind deshalb erschreckend wirksam. Das eigentlich Erschreckende aber ist, dass, egal ob Menschen die Muster der Manipulation intentional oder ohne Wissen über ihre Existenz oder Wirkungsweise verwenden, unsere Handlungen und Gedanken von ihnen beeinflusst werden. Gerade deshalb bin ich mir nicht sicher, welche Form der Anwendung schlimmer ist …

Das beste Mittel, um sich gegen Manipulation jeder Art zu schützen, ist also, sich zuerst bewusst zu machen, was man tut und warum man es tut. Grundsätzlich ist jedes Gespräch, bei dem versucht wird, jemanden von etwas zu überzeugen, eine Manipulation. Egal, ob du versuchst, deinen Arbeitskollegen davon zu überzeugen, dass italienisch heute besser als asiatisch wäre oder du einen Freund davon abhalten möchtest, einen riesen Blödsinn zu machen, im Grunde genommen ist das Manipulation. Du beeinflusst durch dein Zutun eine Entscheidung.

Dies passiert uns sehr häufig und ist, wie man an den Beispielen oben sehen kann, auch nicht immer etwas Schlechtes. Problematisch wird es nur, wenn ein Gespräch über normale Überzeugung hinaus geht und du dich verpflichtet fühlst, etwas zu tun, was du eigentlich nicht machen möchtest.

In solchen Situationen kann es sehr ratsam sein, dir kurz durch den Kopf gehen zu lassen, ob hier nicht gerade eines der oben genannten Muster – absichtlich oder unabsichtlich – angewandt wurde. Fällt es deswegen leichter, nein zu sagen oder dem Verpflichtungs-Gefühl zu entkommen? Vermutlich leider nein. Also zumindest nicht automatisch. Du weißt allerdings, dass dir dein Hirn gerade einen Streich spielt, und dieses Wissen allein hilft dir schon, leichter mit der Situation umzugehen.

Wir haben dir heute einige der Muster der Manipulation illustriert, und ein Tenor sollte damit laut und deutlich mitschwingen:

Es lohnt sich, wachen Verstandes, geschulten Auges und mit aufgesperrten Lauschern durch die Welt zu schreiten!

Sollte dich das nächste Mal also ein Spendensammler auf der Straße mit einer offenen Frage wie: „Liegt Ihnen auch etwas daran, dass Tiere nicht schlecht behandelt werden?“ begrüßen, so denke an das Konzept des Commitments, wenn du dein erstes Ja abgibst. 😉

Zum Schluss noch eine kleine Frage: Manipulation beschäftigt uns ja alle auf die eine oder andere Art. Interessiert dich mehr, wie diese Maschen genau funktionieren und wie du dich dagegen wehren oder wie du andere damit gekonnt überzeugen kannst? Beide Interessen decken wir jedenfalls in unseren nächsten NLP-Practitioner-Seminaren ab.

Wenn dich diese Fragen auch beschäftigen, dann findest du bei uns garantiert die richtigen Antworten und die richtigen Leute, um dich fundiert über diese Themen zu unterhalten und zu lernen.

Wir freuen uns bereits auf einen spannenden Austausch mit dir!

Bis dahin alles Liebe,
Matthias

Quellen:

Cialdini, R. B., Green, B. L., & Rusch, A. J. (1992). When tactical pronouncements of change become real change: The case of reciprocal persuasion. Journal of Personality and Social Psychology63(1), 30.
Cialdini, R. B., Trost, M. R., & Newsom, J. T. (1995). Preference for consistency: The development of a valid measure and the discovery of surprising behavioral implications. Journal of Personality and Social Psychology69(2), 318.
Freedman, J. L., & Fraser, S. C. (1966). Compliance without pressure: the foot-in-the-door technique. Journal of personality and social psychology4(2), 195.
Werth, L., & Mayer, J. (2008). Sozialpsychologie. Spektrum Akad. Verlag.

 

Titelfoto: Photo by rawpixel.com on Unsplash

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